7/18/2009

Fingerabdrücke in Japan

Unten ist ein (offener) Brief, den ich an den deutschen Botschafter in Tokio geschickt habe. Vor ein paar Tagen wurde in Japan ein System eingefuehrt, nach dem ALLE Auslaender bei JEDER Einreise nach Japan ihre Fingerabdruecke und ein Portrait von sich registrieren lassen muessen. Dies soll angeblich dazu beitragen, Terroismus zu verhindern.
Dies faellt mir aeusserst schwierig zu glauben.

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An Herrn Botschafter
Hans-Joachim Daerr

Sehr geehrter Herr Daerr,
Ich moechte mich hinsichtlich der neuen Regelung bei der Einreise von Auslaendern diesbezueglich einmal als Privatperson an Sie wenden.

Ich lebe/arbeite inzwischen seit 30 Jahren in Japan, was bedeutet, dass ich hier natuerlich auch Steuern zahle und alle anderen sozialen Verpflichtungen erfuelle, die einem Familienvorstand obliegen. Seit langem schon bin ich nicht mehr in Deutschland gemeldet und seit beide meine Eltern in Deutschland verstorben sind, habe ich auch kaum noch Gelegenheit/Grund nach Deutschland zu reisen. Meine Frau ist Japanerin und ich selbst habe natuerlich eine permanente Aufenthaltsgenehmigung. Unsere vier Kinder sind alle in Japan geboren, aufgewachsen und gehen derzeit auch noch hier zur Schule. In der Zukunft werden sie sehr wahrscheinlich zu japanischen Steuerzahlern werden. Derzeit haben drei meiner vier Kinder noch zwei Staatsbuergerschaften. Als Deutsche muessten sie daher, wenn sie einmal aus- und wieder einreisen, ihre Fingerabdruecke abgeben!

Nun wuerde ich gern wissen, wodurch werde ich (oder sogar meine in Japan aufgewachsenen Kinder) ploetzlich zu einem "Halbkriminellen", der so viel gefaehrlicher ist als die Buerger aus Nordkorea, dass ich unter erkennungsdienstliche Ueberwachung gestellt werden muss? ALLE meine Daten - ueberhaupt ALLES was ich besitze oder mache - sind hier bei den betreffenden Behoerden registriert, einschliesslich meiner Fingerabdruecke, die ich ja frueher immer schon abgeben musste, bis diese demuetigende Prozedur abgeschafft wurde!
Ich habe die groessten Schwierigkeiten mir vorzustellen, dass die Aufzeichnung meiner Fingerabdruecke dazu beitragen koennte, eventuelle terroristische Angriffe in/auf Japan zu verhindern. Insbesondere da diese in der Vergangenheit nur von Japanern ausgeuebt wurden.

Ferner moechte ich gern wissen, WER mit den nach dem neuen System digital gespeicherten Daten dann WAS macht. Das wird nirgends erwaehnt. Soll ich der Regierung glauben, dass sie mit EXTREM persoenlichen Daten wie meinen Fingerabdruecken und Fotos vertrauensvoller umgehen, als mit anderen Informationen (siehe Rentengelder)?

Das neue System ist nicht ein Mittel den Terroismus zu verhindern - es ist ein Vorgang der hier in Japan unter dem Begriff "Ijime" bekannt ist. Als solcher kann diese Massnahme, abgesehen von den offenbar geheim gehaltenen (wahren) Gruenden fuer deren Einfuehrung, eigentlich nur als eine Diskriminierung der Auslaender gelten.

Da ich wie gesagt fast keine Beziehungen mehr nach Deutschland habe und Japan nicht nur meine "zweite" Heimat ist, moechte ich Sie als deutschen Boschafter fragen, ob es Ihnen moeglich waere, mich als deutschen Staatsbuerger vor einer solchen Diskriminierung zu schuetzen?
Wenn meine Frau in Deutschland einreisen wuerde, brauchte sie weder dort noch hier bei ihrer Einreise in Japan ihre Fingerabdruecke abgeben.

In der Hoffnung, dass all dies nicht schon voellig egal ist.
Mit freundlichen Gruessen

Thomas Blasejewicz

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Daraufhin ist Heute eine Antwort vom auswaertigen Amt in Tokio gekommen.
(Offenbar eine Standardantwort, die auch an zahlreiche andere Leute geschickt wurde):

Sehr geehrter Herr Blasejewicz,

ich danke Ihnen für Ihre email und möchte gerne auf Ihre Bedenken wie folgt antworten.

Es sind in den letzten Tagen zunehmend Beschwerden von in Japan lebenden Deutschen eingegangen, die die neuen Einreisekontrollmaßnahmen betreffen.

In diesem Zusammenhang möchte die Botschaft darauf hinweisen, dass die Erfassung von biometrischen Daten, wie die Gesichtsfeldfotografie und das Einscannen von Fingerabdrücken auch in Deutschland und der Europäische Union nicht unbekannt sind.

Seit etwa zwei Jahren sind deutsche Reisepässe (so genannte Europapässe) mit einen Chip versehen, auf dem ein nach besonderen biometrischen Regeln aufgenommenes Foto der Passinhaberin bzw. des Passinhabers gespeichert ist.

Seit dem 1. November 2007 werden die Fingerabdrücke von deutschen Passantragstellern ebenfalls in diesem Chip gespeichert. Die Erfassung von biometrischen Daten wie der Gesichtsfeldfotografie und dem Einscannen von Fingerabdrücken bei Ausländern ist auch in der Europäischen Union letztlich beschlossen und wird in den nächsten Jahren umgesetzt werden.

Diese Maßnahmen mögen dem Einzelnen als Beschränkung seiner persönlichen Freiheit erscheinen. Sie dienen jedoch nur der allgemeinen Sicherheit und dem Schutz der Gesellschaft vor Verbrechen.

Ich hoffe, diese Informationen können zur Ihrer Verständis beitragen und bedanke mich dafür im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen!

im Auftrag

K.L. Lang

-Rechtsreferendar-

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Tokio

4-5-10, Minami-Azabu, Minato-ku

Tokyo 106-0047

Tel.: (03) 5791-7740

Rk-Referendar2@toky.auswaertiges-amt.de


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Meine Antwort auf dieses Schreiben:

Sehr geehrter Herr Lang
Vielen Dank fuer Ihre Antwort.
Ihre Antwort ist offenbar mit identischem Wortlaut an zahlreiche Personen versandt worden. Daher muss ich wohl schliessen, dass dies nicht allzu viel Muehe gekostet hat.

Und, wie eigentlich zu erwarten gewesen war, geht die Antwort an der urspruenglich gestellten Frage vorbei.
"die Erfassung von biometrischen Daten" wie dies jetzt so schoen heisst, wird in Deutschland, wenn ich Ihrem Schreiben Glauben schenken darf, bei ALLEN Personen vorgenommen.
Hierzulande jedoch nur bei Auslaendern. Auch wenn Japan fuer diese Auslaender, wie in meinem Fall nicht die "zweite" sondern derzeit die einzige Heimat ist.

"der allgemeinen Sicherheit und dem Schutz der Gesellschaft vor Verbrechen" so aehnlich hiess es auch in dem Roman "1984" von George Orwell. Und die Regierung uebernimmt dann die Funktion des "Big Brother". Selbstverstaendlich ist es ja auch voellig undenkbar, dass Mitglieder (die gesamte) Regierung nicht vollstaendig im Sinne des Rechts und der Buerger handelt.

Da Sie als Diplomat natuerlich von der erkennungsdienstlichen Behandlung in Japan ausgenommen ist, koennte ich mir eigentlich die Muehe sparen, danach zu fragen, aber ich wage mich dennoch einmal daran:
Wie wurden SIE sich fuehlen, wenn Sie zum Beispiel in meinser Lage waeren? Ich muesste mich bei der Einreise nach Japan einem Verhoer und der besagten erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen, wohingegen meine Frau kaum ihren Pass vorzuzeigen braucht. (Oder umgekehrt, wenn Sie nach Deutschland einreisen und als Diplomat unbesehen durch die Passkontrolle gehen, waehrend Ihre Frau fuer ein 2-stuendiges Verhoer zurueckgehalten wird?) Und das obwohl sowohl Sie und Ihre Frau wie auch meine Frau und ich ins gleiche "Zuhause" zurueckkehren. Da haetten Sie persoenlich ueberhaupt nichts gegen einzuwenden? Oder die deutsche Botschaft? Interessant.

Das Argument, dass auf diese Weise Terrorismus verhindert wird ist auch interessant. Denken Sie doch mal an den Angriff auf das World Trade Center (wodurch diese ganze Angelegenheit scheinbar eingeleitet wurde). Den Terroristen waere es voellig egal gewesen, ob man ihre Fingerabdruecke genommen haette - sie hatten ohnehin nicht vor, ihr Unternehmen zu ueberleben! Fuer derartige Einsaetze ist netterweise ein JAPANISCHER Ausdruck beruehmt geworden: KAMIKAZE.

Aber ich vermute wohl nicht voellig zu Unrecht, dass all dies nicht wichtig ist, denn die WAHREN Gruende fuer die besagten Massnahmen wohl eher in einer Richtung zu suchen sind, in der die Regierung diese Daten haben will - und zwar weniger im Sinne der Verbrechensbekaempfung ...

Ihre Schlussformulierung ist auch vertrauenserweckend: "im Auftrag" (vom Big Brother?)

Ich schreibe Ihnen nur im Auftrag meiner Selbst
Thomas Blasejewicz

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